Germanische Thingstätte am Seminarhaus Lichtenhagen

Im Ortsteil Lichtenhagen der Gemeinde Ottenstein im Weserbergland erwarb Prof. asoc. Dr. h.c. Dieter Sawalies im Jahr 2007 ein altes Fachwerkhaus, daß am 12. August 2009 sein 150 jähriges Bestehen feiern würde.

 

Die Planungen mit dem Haus sahen vor, daß er in seiner Funktion als Professor der Psychologie und zukünftigem Vize-Dekan für Integrationswissenschaften und Migrationstherapie an einer europäischen Universität, hieraus in Zusammenarbeit mit seinem ortsansäßigen Bruder Günter Sawalies, ein Seminarhaus konzipieren wollte, was vielfältige Nutzungsmöglichkeiten für beide Brüder bieten könnte.

Im Rahmen dieser Gesamtplanungen einer umfangreichen Renovierung des Hauses, wurde gemeinsam auch über die Außenanlagen und einer möglichen "Kunst am Bau" nachgedacht. Dabei lag, aus aktuellem Anlaß, der Gedanke eines Tagungsortes nahe, wie er vor 2000 Jahren als Stammesversammlungsort, dem sogenannten "Thing" der alten Germanen als Steinkreis gestaltet war. Nun fiel, aufgrund der im Jahre 9 n.Chr., ebenfalls im August nachweislich stattgefundenen "Varusschlacht", nicht allzu fern von dieser Region, der auch auf Landesebene zu gedenkende 2000-ste Jahrestag, ebenfalls in dieses Jahr 2009.
Der Nachbau einer solchen alten öffentlichen Versammlungs- und Gerichtsstätte unter "Gerichts"- Linden und in der Nähe von Eschen, dem Baum der Germanen, wie sie hier auch an diesem Haus vorzufinden waren, war also sowohl in der Zeit und im dörflichen Raum, als auch im Thema angemessen und die Bemühungen der Region und speziell der Gemeinde Ottenstein um touristische Attraktionen für den Fremdenverkehr und der agrarstrukturellen Entwicklung mit dem Ausbau neuer Wanderwege, Naturschutzmaßnahmen, sowie Dorferneuerungsprojekten im ländlichen Bereich, sollten auf diese Weise sinnvoll unterstützt und mitgestaltet werden.

Neben der Gestaltung der, auf dem Grundstück geplanten "Thingstätte" am Seminarhaus mit großen Findlingen aus dem Hochharz sollten weitere Elemente für Opfer- und Kultplätze im germanischen Siedlungsbereich ( Nachbildung der Pfahlgötzen von Braak, verschiedenster Zeugnisse der Lebensweisen der Germanen, dem Nachbau eines Bohlenweges aus dem Moor, Bildsteine mit Runeninschriften, u.a.)  in einem somit ungewöhnlichen Gartenkonzept, einschließlich einem Wildpflanzen-Lehrpfad heimischer Wild- Blumen und Gehölzen und Info-Tafeln über die Rückkehr der Raben und Wölfe) aufgenommen und hierin umgesetzt werden. Eine ursprünglich gedachte öffentliche Mitförderung der Maßnahmen ließ sich wegen des engen Zeitplans letztlich nicht verwirklichen und so wurde das Gesamtprojekt durch einen gemeinnützigen "Förderverein Germanische Thingstätte Lichtenhagen" e.V. durch Privatmittel und Eigeninitiative der Mitglieder verwirklicht.

Der Umsetzung des Konzeptes gingen umfangreiche Studien voraus mit dem Besuch des Landesmuseums "Natur und Mensch" in Oldenburg/Old. und des Archäologischen Landesmuseums Schloß Gottorf in Schleswig, sowie Kult-und Opferplätzen in ganz Deutschland und mit Vermessungen von Großsteingräbern, sogenannten "Hünengräbern", wie in Kleinenkneten und Wildeshausen/Visbek/Ahlhorner Heide, sowie Nachbildungsprojekten, wie in Gulde/Stoltenbül und der Steinkreis auf dem Friedhof von Dietrichshagen. Die Auswahl der Findlinge für die Rekonstruktion eines Steinkreises, eines Megalithgrabes, für die Aufstellung von Menhiren, Runen-, Gedenk- und Opfersteinen machten darüber hinaus auch Reisen in den Harz nach Goslar erforderlich, wo letztlich das notwendige Natur-Material aus der Eiszeit gefunden und in einem Gesamt-Volumen von 37 t nach Lichtenhagen transportiert wurde.

So ist heute hier in Lichtenhagen der Versuch umgesetzt, sich auf dem Hintergrund eines geeinten und friedlichen Europas und dem Aufbau einer Einrichtung für eine europäische Universität in Deutschland, eines Thema unserer Vergangenheit zu nähern und dieses neu zu besetzen und sich hiermit deutlich von dem obskuren, fanatischen und verbrecherisch falschem, rassistisch motiviertem Germanenkult aus der Zeit des Nationalsozialismus abzugrenzen, der sich letztlich nie um die historische Wahrheit kümmerte, sondern lediglich Vorwand war, die Völker Europas mit Krieg zu überziehen und dem "Herrenmenschen" zu unterjochen. Unsere Verbundenheit mit der europäischen Idee und der Idee des Friedens zwischen den Völker wird durch die Europa-Flagge der 25 am Seminarhaus symbolisiert.

Archaische Kraft-Orte wie auch dieser in Lichtenhagen, auch wenn sie letztlich "nur" Nachbildungen sind, umgeben eine Aura des Mystischen und Geheimnisvollen und man kann nachempfinden, daß sie als Geburtsorte, Wirk- und Wohnstätten verschiedener mit der Fruchtbarkeit des Bodens und der Tierwelt verbundener sogen. "Muttergottheiten" und als Zugänge zur Unterwelt galten, und um die sich später Sagen und Legenden mit Hexen, Zwergen, Riesen und Drachen als ganz besondere, unheimliche Orte rankten. Diese Übergänge vom "Diesseits" in das "Jenseits" und wieder zurück markieren eine "tiefenpsychologische Wirklichkeit", die der Betrachter, der Wanderer oder Studierende beim Verweilen heute vor Ort in Lichtenhagen nachempfinden können wird.